Gedanken zwischen Himmel und Erde 2024

Geistliche Impulse

Die Qual der Wahl

Monatsimpuls Oktober 2024

„Sie können einen Ford in jeder Farbe haben – Hauptsache er ist schwarz.“ So beschrieb, vor fast genau hundert Jahren, der amerikanische Autohersteller Henry Ford, die Auswahl der Auto Lackfarben in seiner Firma.

Die Welt schien damals etwas einfacher zu sein. Laut aktuellen Studien und Forschungen, treffen wir heutzutage ca. 20.000 Entscheidungen pro Tag. Von den kleinen Fragen wie, was am Morgen angezogen werden soll, bis hin zu großen Überlegungen über private, berufliche oder politische Wünsche und Möglichkeiten, wir stehen stets vor Entscheidungen. Das macht etwas mit und aus uns.

„Wir sind unsere Entscheidungen“ sagte einst der französische Philosoph Jean-Paul Sartre. Er hat verstanden, dass es sowohl auf der persönlichen als auch auf der gesellschaftlichen Ebene, einen Unterschied macht, wo und wann wir „Ja“ sagen oder „Nein“, „Dies“ sagen oder „Das“. Die „Qual der Wahl“ ist unsere. Und unsere Entscheidungen machen uns zu wem und was wir sind.

In der Eingliederungs- (Behinderten) Hilfe wurden in den letzten Jahren Selbstbestimmung, Autonomie und Eigeninitiative großgeschrieben. Und das mit Recht. Entscheidungen für einen selbst haben viel mit Würde und Ansehen zu tun. Und es ist erstaunlich gewesen, zu sehen was in vielen unseren Klientinnen und Klienten steckt, wenn sie für sich sprechen dürfen und ihrem Wille gefolgt wird.

Auf einer anderen Ebene wurde das, was in einer Gesellschaft an Vorstellungen, Wünschen und Ängsten steckt sichtbar in den Ergebnissen der letzten Landtagswahlen hier in Deutschland. Nicht wenige Bürger und Bürgerinnen haben sich für Parteien entschieden, die Vorstellungen von Freiheit und Sicherheit haben, die nicht in den Rahmen einer demokratischen Gesellschaft passen. Aufs Neue wurde klar, dass wir frei sind, gute und schlechte Entscheidungen treffen zu können.

Auch die Bibel hat einiges über Entscheidungen zu sagen. Adam und Eva durften selbst entscheiden, ob sie vom Baum der Erkenntnis essen wollen, oder nicht. Die Jünger Jesu, durften entscheiden, ob sie dem Wanderprediger nachfolgen, oder nicht. Und durch die ganze Bibel hindurch wird klar, dass Gott wiederum sich für uns Menschen und für Menschlichkeit entschieden hat. Trotz allem zu uns steht und sich für uns einsetzt.

„Wähle das Leben“ ist unter all dem, was der große Anführer Mose dem Volk Gottes sagte, eine seiner wichtigsten Aussagen. Kurz vor seinem Tod und kurz bevor das Volk in das neue, verheißene Land eintrat, machte Mose allen klar, dass sie eine Wahl haben. Gott legte dem Volk Leben und Tod, Segen und Fluch vor und überlies ihm die Entscheidung wie es weitergehen soll.  Denn offensichtlich war, dass auch in dem gelobten Land, die Möglichkeit bestand, wieder in die Sklaverei zu geraten. Nicht in die konkrete Sklaverei, die sie in Ägypten erfahren haben, sondern in die geistliche Sklaverei des Unrechts und der Überheblichkeit.

Auch uns heute, hier in dem Land und Zeitalter der beinahe endlosen Möglichkeiten und Entscheidungen, gilt der Aufruf „Wähle das Leben“. Weit über die Lackfarben unserer Autos hinaus, müssen wir, dürfen wir Entscheidungen treffen, die das Wohl unseres eigenen Lebens beeinflussen. Mehr noch, beeinflussen unsere Entscheidungen das Wohl der Menschen um uns herum und das Land, in dem wir leben. Dabei dürfen wir durch das Vertrauen gestärkt sein, dass Gott uns schon erwählt hat. Gott hat uns zum Leben erwählt, zur Gemeinschaft befähigt und zur Gerechtigkeit berufen. Darum, wenn wir die Qual der Wahl haben, darf in unseren Ohren und Herzen der 4.000 Jahre alte Aufruf klingen, „Wähle das Leben!“


Pfarrerin Nancy Bullard-Werner

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„Bin ich nicht nur ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?“ (Jeremia 23, 23)

Monatsimpuls September 2024

Die Urlaubszeit geht zu Ende und die meisten kommen – hoffentlich – gut erholt wieder zurück. Für mich war der Urlaub mit meiner Familie eine Zeit, in der wir uns als Familie ganz nahe waren. Wir haben miteinander viel Zeit verbracht, miteinander gespielt, geredet und Neues erlebt. Nun geht der Alltag wieder los und jeder geht wieder seinen eigenen Verpflichtungen nach. Die gemeinsame Zeit wird weniger. Vielleicht haben Sie ähnliches erlebt? Vielleicht sehnen Sie sich auch gerade bei einem bestimmten Menschen nach Nähe, nach mehr gemeinsamer Zeit oder sind auch froh über manchen Abstand.

Im Bibelvers, der über dem Monat September steht, heißt es in Buch des Propheten Jeremia: „Bin ich nicht nur ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?“ (Jeremia 23, 23). Dieser Bibelvers gehört für mich zu den Versen in der Bibel, die ich nicht auf Anhieb verstehe. Eigentlich wünsche ich mir doch Gottes Nähe. Seit Kindertagen habe ich das immer wieder gesagt bekommen, dass Gott mir nahe sein will. Aber jetzt sagt Gott selbst, dass er mir auch fern ist? Die Ferne Gottes behagt mir gar nicht. Warum legt Gott selbst diesen Wert auf Nähe und Distanz?

Gott ist ein Gott, der mir nahekommt. Ein Gott, der in Jesus Mensch wird, um mir und uns nahe sein zu können. Es tut mir gut, wie im Urlaub mit meiner Familie, wenn ich Gottes Nähe spüre. Ich spüre ihn in Situationen, die mir Angst machen oder in denen ich mich ratlos fühle oder in denen ich mich sorge. Gottes Nähe wird für mich auch dann spürbar, wenn er mir Orientierung im Leben schenkt und mich da anspricht, wo ich es gerade dringend brauche. Ja, ich sehne mich auch nach Gottes Nähe. Sehne mich nach der Geborgenheit, die ich in der Nähe Gottes verspüre. Ich erlebe die Nähe Gottes an unterschiedlichen Orten: mal im Gottesdienst, mal in der Natur oder auch mitten im Büro. Dafür muss man sich immer wieder bewusst Zeit nehmen, wie bei einem Urlaub, der den Alltag unterbricht. So wie ich im Urlaub auch die Nähe meiner Frau und meiner Kinder erlebe. Wo erleben Sie Gottes Nähe?

Gott ist ein Gott, der auch ferne sein kann. In manchen Situationen im Leben frage ich mich, wo Gott eigentlich ist. Wie weit ist er weg von dem, was uns bewegt? Wo war Gott beim Messerangriff in Solingen? Wo ist Gott in den Kriegsgebieten dieser Welt? Wo ist Gott im Streit zwischen Menschen? Fragen, die mir schwerfallen und die schmerzen. Selbst Jesus am Kreuz klagt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ Der Ferne Gott ist für mich nicht greifbar. Ich kann ihn nicht fassen. Ich kann ihn nicht verstehen. Der Ferne Gott ist für mich unverfügbar. Der „Gott der Ferne“ entzieht sich allen Versuchen, ihn zu vereinnahmen. Er lässt sich nicht in Anspruch nehmen für menschliches Planen. Der „Gott der Ferne“ widersetzt sich allen menschlichen Bestrebungen, ihn zu zähmen oder zu verharmlosen. Er lässt sich nicht zu einem Gott machen, der einfach Wünsche erfüllt und Sehnsüchte stillt. Er schlägt sich nicht auf die Seite derer, die vorgeben, besonders fromm zu sein. Und doch ist und doch bleibt, so lässt es Jeremia uns wissen, der ferne Gott der lebendige und barmherzige Gott. Er bleibt mein Gott, auch wenn ich seine Nähe gerade nicht zu spüren vermag. Der ferne Gott und Gott der Ferne ist der ewige und liebende Gott. Er erfüllt den Himmel und die Erde. Er hält die ganze Welt in seiner Hand. Er schenkt Leben.

Er stellt Leben in seinen weiten Raum. Unser Leben ist von ihm umfangen – und unser Sterben auch. Unser Lachen ist bei ihm aufgehoben und unser Weinen auch. Unser Suchen und unser Finden ist bei ihm aufgehoben. Als naher und als ferner Gott kennt unser Gott unseren Hunger nach Orientierung und unseren Durst nach Klarheit. Er kennt unsere Sehnsucht nach Sinn und nach Geborgenheit. Er kennt die Sorge, dass wir uns selbst überlassen bleiben. Er sieht auch, wie wir gefangen in unsere Wunschbilder dem nachfolgen, was wir uns selbst ausdenken.

„Bin ich nicht nur ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?“ Vielleicht braucht es gerade auch beides: Nähe und Ferne. Aus der Ferne, wie wenn ich im Urlaub bin, rückt manches sich wieder zurecht oder ich gewinne eine innere Distanz zu manchen Dingen. Eine Distanz, die mir hilft, manches wieder mit neuen Augen zu sehen. Aber so wichtig, wie manchmal auch ein Abstand ist, so wichtig ist, dass ich wieder Nähe spüre. Nähe, in der ich mich ganz öffnen kann. Für mich ist bei Gott wichtig, dass ich weiß, egal ob er mir gerade nahe oder fern ist, dass er mich nie aus dem Blick verliert.


Pfarrer Dr. Friedemann Kuttler

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Singen und Stille – Angebote des Augusts

Monatsimpuls August 2024

Auf der Suche nach Inspiration für diesen Impuls, stoße ich auf zwei Sachen, die wiederkehrend in der Literatur, zum Monat August gehören: Das Singen und die Stille.

Kein Wunder. Denn, zwischen der Forschung der Soziologen*innen und der eigenen Lebenserfahrung, wissen wir, dass sowohl das eine als auch das andere für ausgelaugte, ferien-reife Psychen gut ist. Singen, aber auch Stille wirken wie Heilmittel für müde Körper und erschöpfte Seelen.

1653 – fünf Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs – dichtete Paul Gerhardt das bekannte und geliebte Lied, Geh aus mein Herz und suche Freud / in dieser lieben Sommerzeit.

Singend schickt Paul Gerhardt seine Seele auf die Reise durch die Fülle der sommerlichen Schöpfung. Nachdem er, gestreckt über sieben Strophen, die Natur um ihn her betrachtet, bricht in der achten (von 15!) Strophe, der Jubelruf aus ihm heraus: „Ich singe mit, wenn alles singt, / und lasse, was dem Höchsten klingt, / aus meinem Herzen rinnen, / aus meinem Herzen rinnen“. Bis heute, beinahe 400 Jahre später, beschwingt das Lied immer noch die sommerdurstigen Seelen vieler Menschen.

Doch weit in die Vergangenheit zurück muss gar nicht geschaut werden, um die wohltuende Wirkung des Singens zu finden. Dass Freude und Gelassenheit durch Singen zu finden sind, wissen viele von uns heute noch sehr gut. Von langen Autofahrten in den Sommerurlaub, die ich als Kind und auch später mit den eigenen Kindern durchstehen musste, bleiben noch viele Erinnerungen. Lang bevor es Video Games und gestreamte Filme für gelangweilte Kinder gab, gab es das Singen im Auto. Erst aus dem Gedächtnis, später mit der Hilfe von Kinderkassetten, wurden qualvolle, öde Stunden mit lustigen Singrunden überbrückt. So wurde die Stimmung im Auto deutlich angehoben und die Freude auf den Urlaub, und wichtiger noch, auf das Leben selbst, gesteigert.

Gleichwertig wie das Singen ist es die Stille, die als zweite Weisheit für diesen schönen, langsamen Sommermonat gilt.

„Die größte Offenbarung ist die Stille“ schrieb im 6. Jh. v.Chr. der Chinesischer Philosoph

Lao Tse.

Etwas mehr als ein Jahrtausend später mahnte der deutsche Dichter und Politiker Johann Wolfgang von Goethe seinen Leser*innen auf die Stille zu lauschen. „Weisheit wohnt nicht im Lärm, lauscht den Wundern der Stille.“ Darin ist Ruhe und Kraft.

Und, etwa tausend Jahre vor Lao Tse, schieb ein Dichter von biblischen Psalmen, „Sei nur stille zu Gott, meine Seele; denn Gott ist deine Hoffnung, deine Hilfe, deine Stärke und dein Schutz.“ Diese Worte aus Psalm 62 wurden geschrieben für einen, der (so im Psalm geschildert) sich wie eine „hängende Wand“ oder eine „rissige Mauer“ fühlt. Antike Metaphern also für Stress, Burnout, Multi-Tasking-Overload und Überlastung.

Sei stille zu Gott, meine Seele; denn Gott ist deine Hilfe und deine Zuversicht.

Dies sind gute Worte für jede Jahreszeit. Aber für den August sind sie eine Erinnerung daran, dass wer in einen sternengefüllten, sommerlichen Nachthimmel schaut, oder am morgendlichen Ufer eines Sees steht, auf hohe Bergen sieht, oder sich vom Dunst der brechenden Welle am Strand benetzen lässt, der oder die, ist der Stille nah. Greifbar nah. Denn schon bevor es in unserer Welt, Getöse und Gerumpel, Lärm und Krach gab, gab es die Stille. Diese Stille ist noch da – heilend uns geschenkt; Ruhe-schenkend uns gestiftet; Göttlich uns umgebend.

Darum lasst uns, in dieser lieben Sommerzeit, unsere Ohren für die Stille aufmachen, und auch unsere Münde zum Gesang aufmachen. Lasst uns unser Herz singend auf die Suche nach Freude schicken. Und lasst uns auf die Stille, die in der Ruhe des Augusts besonders gut zu hören ist, lauschen. Singen und Stille. Hinweise der Literatur schon. Aber mehr noch, beides Geschenke Gottes.
 

Pfarrerin Nancy Bullard-Werner

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Verhindert das, was uns behindert!

Monatsimpuls Juli 2024

Seit vielen Jahrzehnten wird am ersten Sonntag im Juli das große Jahresfest der Diakonie Stetten gefeiert. Die Türen der Gebäude auf dem historischen Gelände in Stetten werden aufgemacht, und damit auch die Herzen. Freude und Trubel sind von Beginn des Tages an und bis zu seinem Schluss groß, sichtbar und spürbar. Neben dem Gottesdienst am Morgen, dem Festakt am Nachmittag und dem Konzert am frühen Abend freuen sich Menschen mit Behinderung, Angehörige, Mitarbeitende und Besuchende über allerlei Angebote und Begegnungen.

Verhindert das, was uns behindert!

So rief einst ein Aktivist für Inklusion. Zumindest beim Jahresfest wird dieser Satz verwirklicht. Alle können überall dabei sein. An allen anderen Tagen gibt es, vielen Fortschritten zum Trotz, noch zahllose Barrieren, die überwunden werden müssen. In dieser Hinsicht haben die biblischen Worte Recht, so sie uns auffordern: "Du sollst Dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist." (Exodus 23,2)

Wir träumen von von dem Tag, an dem die Inklusion nicht als Luxus für eine Minderheit verstanden wird, sondern als ein Menschenrecht für alle. Dann wird es wirklich etwas zu feiern geben.
 

Quelle: Seite Juli aus dem Impulskalender 2024 der Diakonie Stetten
 

Mehr erfahren über das Jahresfest

 

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Was ist die wichtigste Regel für unser Leben?

Monatsimpuls Juni 2024

Am 14 Juni 2024 beginnt die Fußball–Europameisterschaft und die Vorfreude -auch bei mir- ist groß.

Aus diesem Grund möchte zu Beginn meines Impulses auch kurz auf die „schönste Nebensache der Welt“; sprich Fußball eingehen.

Ein Fußballspiel wird von zwei Mannschaften bestritten, von denen jede höchstens elf Spieler aufweisen darf; einer von ihnen ist der Torwart.

Ein Tor ist gültig erzielt, wenn der Ball vollständig die Torlinie zwischen den Torpfosten und unter der Querlatte überquert hat, ohne dass die Regeln vorher von der Mannschaft übertreten wurden, zu deren Gunsten das Tor erzielt wurde.

Ein Spieler muss durch Zeigen der Roten Karte des Feldes verwiesen werden, wenn er z.B. eine der folgenden Regelübertretungen begeht:

  • grobes Foulspiel,
  • ein Tor oder eine offensichtliche Torchance der gegnerischen Mannschaft durch absichtliches Handspiel verhindert (dies gilt nicht für den Torwart in seinem Strafraum),
  • anstößige, beleidigende oder schmähende Äußerungen oder Gebärden gebraucht.

Auch diejenigen von Ihnen, die nicht selbst Fußball im Verein spielen oder leidenschaftlich Spiele verfolgen, haben natürlich erkannt, was ich da aufgezählt habe: Einige der vielen Regeln, die beim Fußball gelten.

Aber warum gibt es eigentlich diese Regeln? Könnte man nicht auch ganz ohne Regeln spielen? Was würde passieren, wenn es diese Regeln beim Fußball nicht gäbe?

  • Vielleicht käme eine Mannschaft, die mit 2:1 führt, auf die Idee, das Spiel in der 75. Minute für beendet zu erklären, damit sie nicht Gefahr laufen, ihren knappen Sieg in den letzten 15 Spielminuten zu verspielen?
     
  • Vielleicht käme auch Julian Nagelsmann, der Bundestrainer der Deutschen Nationalmannschaft auf die Idee, im Auftaktspiel gegen Schottland 15 Spieler auf den Platz zu schicken, um das Auftaktspiel endlich mal wieder zu gewinnen.

Genug gesponnen, natürlich geht das alles nicht.

Wenn jede Mannschaft selbst entscheiden könnte, mit wie vielen Spielern sie aufläuft und wann sie das Spielfeld verlässt, würde Fußball nicht funktionieren und es wäre kein fairer Wettstreit möglich. Die Fußballspiele würden im absoluten Chaos enden. Die Trainer würden sich gegenseitig beschimpfen, es käme zu Tumulten auf dem Spielfeld und die Fans hätten keine Chance, ein wirkliches Fußballspiel zu sehen.

Regeln sind im Fußball also absolut notwendig. Die Regeln sind dazu da, dass es ein faires Spiel gibt und zum Schutz der Spieler vor Verletzung und Benachteiligung.

Auch außerhalb des Fußballplatzes sind Regeln wichtig und gut (auch wenn sie nicht immer angenehm sind – aber das sind die Regeln beim Fußball auch nicht immer). Gebote und Verbote bestimmen unser Leben und regeln in guter Weise das Zusammenleben in unserer Gesellschaft.

Wir brauchen Regeln, damit es im Leben fair zugeht und das miteinander Leben funktioniert. Regeln schützen – wenn sich alle daran halten – davor, dass ich nicht unfair behandelt oder verletzt werde. Sie schützen mich davor, dass mir Schaden zugefügt wird.

Einmal kam ein Mann zu Jesus und fragte ihn: Was ist die wichtigste Regel für mein Leben? Und Jesus antwortete ihm:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe und mit deinem ganzen Verstand. Und liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.“

Ich glaube, wir müssen uns oft die Frage stellen lassen: was ist die wichtigste Regel für unser Leben? Was ist wirklich gut für mich und für andere?

„Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben von ganzem Herzen ... und liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.“

Meiner Meinung nach ist darin all das zusammengefasst, was für ein Gutes Miteinander hilfreich ist.

Mit dieser Regel zeigt Gott uns, wie unser Leben gut funktionieren kann. Das soll uns dabei helfen, unser Leben gut zu gestalten. Er ermuntert dazu, uns an Regeln zu halten um in gegenseitiger Fürsorge und Liebe zu leben. Regeln als Ausdruck der gegenseitigen Verbundenheit und Liebe – im Miteinander und Füreinander.

Ganz im Sinne unserer Vision „Für eine Welt in der niemand mehr ausgegrenzt wird“.

Mit dem nachfolgenden Gebet von Johannes Thiele möchte ich alle neuen Mitarbeitenden im Kreis der Diakonie Stetten herzlich willkommen heißen; stellvertretend meinen neuen Vorstandskollegen Herrn Pfarrer Dr. Friedemann Kuttler.

Wenn ich von meinem Vertrauen sprechen will, dann sage ich:

Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name.

Wenn ich erlebe, wie friedlos die Menschen sind, dann hoffe ich:

Dein Reich komme.

Wenn ich manchmal mit dem Kopf durch die Wand will, dann spreche ich:

Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.

Wenn ich merke, dass das, was ich zum Leben habe, nicht selbstverständlich ist, dann bitte ich:

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Wenn ich andere spüren lasse: das geht mich nichts an, dann bete ich:

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

Wenn ich es mir zu leicht machen will und nur noch mich selbst sehe, dann denke ich:

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.

Wenn ich manchmal richtig froh bin und fest hoffe, dass alles gut wird, dann glaube ich:

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Amen


Dietmar Prexl
 

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Die Gnade eines guten Endes

Monatsimpuls Mai 2024

Als Vorstandsvorsitzender Pfarrer Rainer Hinzen am 19. April dieses Jahres verabschiedet wurde, wurde er während des Gottesdienstes zu dem Anlass, „entpflichtet“. Der Prälat (ein oberer Kirchenbeamter), der diese Handlung durchführte, sprach dabei ein tröstendes Wort, über das „Unfertige.“  Er erinnerte alle Anwesende daran, dass viele geschmiedeten Pläne und laufende Projekte, die man selbst begonnen hat, von anderen weitergeführt oder gar vollendet werden können.  So wichtig es ist, Ziele zu setzen und diese zu verfolgen, so gnadenvoll kann es auch sein, rechtzeitig ein Ende zu finden. Zur richtigen Zeit den Stab der Verantwortung weiterzureichen und zu vertrauen, dass es andere geben wird, die Begonnenes weiterführen werden. Das zu Können ist ein Zeichen von sowohl Reife, als auch von Weitsicht.

In dieser Zeit, in der es in unserer Einrichtung einige Wechsel an wichtigen Stellen gibt und geben wird, ist die Botschaft des Prälaten passend. Immer wieder sprechen Kolleginnen und Kollegen, die kurz vor dem Ruhestand sind, ihr Erkenntnis aus, dass es Zeit ist zu gehen. Dies meinen sie nicht nur in Bezug auf sich selbst, sondern tun es auch für andere und für ihre Arbeit. Neue Konzepte, frische Ideen, kreative Impulse können durchaus aus „alten Köpfen“ kommen, aber ein neuer Geist von außen kann ein Zugewinn sein.

Selbst Jesus hat das gewusst. An Himmelfahrt nahm er zum letzten Mal Abschied von seinen Jüngerer und Jüngerinnen. Seine Arbeit hier auf unserer Erde war getan. Es war Zeit für ihn zu gehen. „Es ist gut für euch, dass ich weggehe“ hat er sogar gesagt.

Fertig waren seine diversen „Projekte“ definitiv nicht. Hinterlassen hat er eine Welt voller Menschen mit harten Herzen, mit unversöhnten Konflikten und mit kranken Körpern. Armut hat er nicht verbannt, universale Gerechtigkeit hat er nicht einführen können und ein Ende der Machtkämpfe unter den Einflussreichen hat er auch nicht erwirkt.

Und trotzdem ist er gegangen. Gegangen in der Gewissheit, dass es andere geben würde, die seine Arbeit fortsetzen. Diese andere Kraft nennen wir den Heiligen Geist. Der Geist, der Menschen bis heute belebt, beflügelt, erneuert und zum Einsatz für das Leben ermutigt.

Passend ist es, dass in diesem Monat Mai – während wir uns gerade zwischen zwei Vorständen befinden (Pfarrer Kuttler wird am ersten Juni als Theologischer Vorstand die Leitung übernehmen) – wir Christinnen und Christen sowohl die Himmelfahrt Christi mit einem Feiertag bedenken, als auch zwei Tage lang das Pfingstfest feiern. Abschied und Neubeginn im religiösen Kontext.

Es ist eine Gnade zur rechten Zeit ein Ende setzen zu können.

Es ist ein Geschenk, wenn neue Anfänge von einem guten, ja, von dem Heiligen Geist begleitet werden.

Möge der Geist Gottes jeden von uns persönlich, wie auch uns alle als Diakonie Stetten beflügeln für das, was kommen wird.
 

Pfarrerin Nancy Bullard-Werner

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Die Fassung wiederfinden

Monatsimpuls März 2024

Liebe Leserinnen und Leser,

in den letzten vier Jahren habe ich das Wort „Fassungslosigkeit“ immer wieder gehört, ein Wort, das Sprachlosigkeit und Entsetzen ausdrückt. Und ich habe es auch selbst so empfunden, wenn ich an die Bilder und Nachrichten aus dieser Zeit denke, z.B. die auf Intensivstationen bäuchlings gelagerte Corona Patienten, die um ihr Leben kämpften; Russlands Krieg gegen die Ukraine; das Erstarken rechter, rassistischer und völkischer Bewegungen in Amerika, Europa und auch bei uns in Deutschland; der grausame Überfall der Hamas Terroristen und das Leid der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen; Sexualisierte Gewalt im Kontext von Kirche und Diakonie.

Am Ende dieses Monats feiern wir Ostern. Am Karfreitag gedenken wir des Geschehens der Kreuzigung Jesu, seine entsetzliche Todesstrafe.

Aber dann folgt der Ostersonntag. Da hören drei Frauen, die früh morgens zum Grab gehen: „Entsetzt Euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier.“ (Markus 16,6)

Die Frauen bekommen dazu einen Auftrag, sollen aktiv werden, sollen nicht vor Schreck erstarren, sondern die gute Nachricht von der Auferstehung Jesu von Nazareth weitersagen.

Das ist für mich, immer wieder neu, jedes Jahr die Kernbotschaft von Ostern. Das Entsetzen, die Fassungslosigkeit sind berechtigte und sehr menschliche Reaktionen auf all das Schlimme und Böse, das geschieht. Aber mit der Auferstehung Jesu wird ein Widerwort gegeben. Nicht Tod und Vernichtung, nicht Bosheit und Ungerechtigkeit, nicht Verzweiflung und Angst habe das letzte Wort, sondern Jesus, der aus dem Tod auferstanden ist.

Ich glaube, dass das auch für uns ein guter Aufruf sein könnte: „Entsetzt euch nicht“ oder, modern: „Findet eure Fassung wieder“. Fassungslosigkeit bedeutet Empörung, macht aber auch sprachlos und stumm und ist oft Ausdruck eines Gefühls der Hilflosigkeit.

Die Frauen und später auch die Männer, wurden aktiv und blieben nicht in ihrer Trauer, ihrer Angst und ihrer Hilflosigkeit stecken. Durch den Auferstehungsglauben bleiben Menschen nicht dabei, fassungslos zu sein, sondern werden motiviert für das Gute einzutreten, für Gerechtigkeit und Frieden zu arbeiten und, wie z.B. in der Diakonie Stetten, aktiv beizutragen zu einer Welt, in der niemand ausgegrenzt wird. Menschen bekommen die Kraft, gegen ungerechte Verhältnisse zu handeln. Denn seit der Auferstehung Jesu glauben Christen, dass Gott das letzte Wort hat, selbst über den Tod hinaus.

Entsetzt euch nicht – es geht darum, nicht denen zu glauben, die sagen, dass wir doch nichts machen können, sondern dass wir uns für das Gute einsetzen, dort wo wir können, dass wir Zeichen setzen und Flagge zeigen und dass wir denen nicht das Feld überlassen, die Hass, Ausgrenzung, Spaltung und Unfreiheit wollen.


Pfarrer Rainer Hinzen

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Lachen gegen die Mühseligkeiten des Lebens

Monatsimpuls Februar 2024

"Der Himmel hat den Menschen als Gegengewicht zu den vielen Mühseligkeiten des Lebens drei Dinge gegeben: Die Hoffnung, den Schlaf und das Lachen". Dieses (verkürzte) Zitat von dem deutschen Philosophen Immanuel Kant passt bestens in den noch winterlichen Monat Februar. Der Monat, der mit seinem Grau und mit seiner überdurchschnittlichen hohen Zahl von Krankheits- und Todesfällen, schlicht ausgehalten werden muss.

Kein Wunder, dass gerade in diesem mühseligen Monat, der Fasching mit seinem trotzenden Lachen, so gern in vielen Regionen mit Lust und Freude gefeiert wird. Er hilft den Februar durchzustehen.

Dass Lachen und Freude wohltuend und sogar gesundheitsfördernd sind, ist wissenschaftlich belegt. Selbst Jesus hat einst gesagt, „meine Freude gebe ich euch, und niemand kann diese von euch nehmen.“  Jesus hat den Wert des Lachens, der Freude und des Feierns verstanden. An mehreren biblischen Stellen wird davon berichtet, wie Jesus gerne mit anderen Menschen zusammenkam, mit ihnen zu Tische saß und mit ihnen gefeiert hat. Elixier für die Seele war das für Viele, insbesondere für die, die bis dahin nur die Außenseiterrolle gekannt hatten.

Sogar am letzten Abend seines Lebens, feierte Jesus ein Fest. Vor dem Schweren und Unausweichlichen, das auf ihn wartete, ließ Jesus es sich nicht nehmen, das wichtigste und traditionellste aller Jüdischen Feste, das Passahfest, mit seinen Freunden zu zelebrieren.

Das in unserer christlichen Tradition zentrale Sakrament des Abendmahls erzählt von diesem letzten Fest im Leben Jesu. Die Gedanken und Worte der Eucharistie sind tief, schwer und geheimnisvoll. Unerwähnt bleibt die Tatsache, dass der Freundeskreis, der sich an dem Abend um Jesus befand, dort war, um zu feiern. Es wurde geredet, es wurde vermutlich gesungen und gelacht, es wurde gemeinsam gegessen, und es wurde an die Geschichte der Befreiung aus der Sklaverei erinnert, bevor Jesus diese Bedeutung durch seinen Tod auf sich selbst uminterpretieren würde.

Lachen baut uns auf, Freude stärkt uns. Das Erinnern an die eigenen Traditionen und an das, was geteilt und gemeinsam durchlebt wurde, ist kostbar und festigend. Daran dürfen wir uns festhalten.

Darum wird im Laufe dieses Jahres das 175. Jubiläum der Diakonie Stetten immer wieder mit mehreren Gottesdiensten, Veranstaltungen und Festen gefeiert. Das Dunkle, das zu der Geschichte unserer Einrichtung gehört, ebenso das Schwere, das die Gegenwart beeinflusst, soll und wird dabei nicht ausgeklammert. Aber das Viele, das über die Jahre hinweg aufgebaut, durchstanden, erreicht und erhalten wurde, darf hochgehalten werden. Es darf gefeiert und gelacht, gesungen und vielleicht sogar getanzt werden, denn „Mühseligkeiten“ gab es immer und wird es immer (und nicht nur im Februar) geben.


Pfarrerin Nancy Bullard-Werner

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