Geistlicher Impuls Dezember 2020

Adventliches Rudern

In Theologenkreisen taucht in den vergangenen Monaten immer wieder ein besonders kühner und hilfreicher Gedanke von einem der bedeutendsten alttestamentlichen Wissenschaftlern des 20. Jahrhunderts auf.  Wir Theologen*innen hören gerne zu, wenn die Gedanken von Gerhard von Rad, langjähriger Professor für evangelische Theologie an der Heidelberger Universität, auf unsere gegenwärtige Situation übertragen werden.  Die uns faszinierende These von Dr. von Rad besagt, dass im hebräischen das Denken, die Zukunft und die Vergangenheit in umgekehrter Blickrichtung erlebt werden.  Die Vergangenheit hat man vor Augen während die Zukunft im Rücken liegt.

Einfacher gesagt, der Lebensweg gleicht einer Fahrt auf dem Ruderboot. Der Ruderer bewegt sich rückwärts in der Zukunft hinein und sieht nicht, wohin er sich bewegt. Die Zukunft kann der Ruderer nicht erkennen, denn diese liegt in seinem Rücken.  Vor den Augen des Ruderers liegt sein Ausgangspunkt; die Landschaft des gelebten Lebens und der gesammelten Erfahrungen.

Auch heute rudern wir so in die Zukunft hinein; rückwärts mit gewonnenen Erkenntnissen im Gepäck. Wer hätte sich vor einem Jahr das Ausmaß der Corona Pandemie vorstellen können?  Wer hätte in Februar 2020 an die Wirksamkeit von Nasen-Mund-Schutzmasken und Social Distancing geglaubt? Wer hätte im März 2020 gewusst, dass menschlicher Kontakt genauso gesundheitsfördernd ist, wie prophylaktische Isolation? Und wer hätte sich im Advent 2019 vorstellen können, dass die einzige Türe, die im Advent 2020 unbekümmert geöffnet werden darf, die Türchen des Adventskalenders sind?

Allen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Fortschritten zum Trotz, liegt auch für uns die Zukunft im Rücken.  Wir hoffen auf die Wirksamkeit der versprochenen Impfstoffe und die Effektivität der sozialen Einschränkungen.  Was letztendlich noch kommen wird, ist und bleibt eine Sache der Spekulation.  Wir haben keine topographische Karte von der Zukunft.  Aber wir haben ein Kompass.

Durch all die diversen Herausforderungen, Krisen und Katastrophen in der Geschichte der Diakonie Stetten haben Gottvertrauen und ein Sinn für die Berufung zur Nächstenliebe Orientierung gegeben. Das Kind in einer Futterkrippe am Rande der Gesellschaft erzählt heute noch von Gottes Neigung, dunkle Orte und Zeiten erhellen zu wollen. Und auch wenn das Jahr 2021 ohne Feuerwerk am Silvesterhimmel eingeführt wird, darf die Erinnerung an den Stern von Bethlehem unsern Horizont erhellen. Wie damals die Wanderer aus fernen Ländern, werden auch wir geführt.

Rückwärts in der Zukunft rudernd, bleibt die weihnachtliche Botschaft vor unseren Augen.
Gott ist da. Für uns und mit uns.
 

Pfarrerin Nancy Bullard-Werner

Geistlicher Impuls November 2020

Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.

Auf den goldenen Herbst folgen die Nebelschwaden. Auf den Monat der Ernte und des Dankes folgt der Monat des Innehaltens und des Todesgedenken. In diesem grauen Monat steigen wie von selbst dunkle Gedanken auf. Mir kommt in den Sinn, wie sehr es mir fehlt, im Chor zu singen. Mein Chor probt und trifft sich zwar wieder. Doch ich bin nicht dabei. Es stimmt mich traurig, dass ich nicht in den Chor kann. Doch in diesem Fall ist es mir möglich, die Kraft dahinter zu finden. Musik ist schließlich überall.  Eine Motte steigt in mir auf.

Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin und weinen
und tragen edlen Samen
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben.

Worte aus dem 126 Psalm.

In dem Text verbindet sich der Oktober mit dem November. Die Tränen der Trauer singt es in mir, werden Früchte tragen. Was für ein schönes Bild. Das ist ein Bild, dass ich nur mir selbst zusprechen kann. Niemand von außen hat das Recht, einem Trauernden zuzusprechen: Es hat alles seinen Sinn. Den Sinn kann man nur selbst erkennen – und das meist in der Rückschau. Das Gefühl dieser Erkenntnis aber, kann dabei etwas Erlösendes haben.

Gott selbst will uns befreien. Er will, dass wir Frieden finden können. Dazu schenkt er uns immer wieder neue Begegnungen. Ist es uns möglich diese zu erkennen?

Was sagt der Texte Ihnen? Können Sie den Zuspruch lesen, spüren? Auch wenn Sie nicht singen?

Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin und weinen
und tragen edlen Samen
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben

Ich stelle mir vor wie Gott selbst es uns zuspricht:

Ich bewahre dich nicht vor Tränen. Aber ich bin bei dir.
Ich, dein Gott, lege in dich das Gute.  Auch dann bin ich bei dir.

Der November ist voller Nebelschwaden, ja. Aber durch den Nebel dringt immer wieder die Sonne. Wir dürfen uns die Zeit nehmen um traurig zu sein, ja. Wir dürfen trauern. Wir dürfen aber auch darauf vertrauen, dass wir nicht alleine sind. Und dass Gott es gut mit uns meint.

Ein Geschenk, dass Gott mir gemacht hat, ist die Liebe zur Musik.
Ich werde für mich alleine singen. Weil es meiner Seele guttut. Mit einer gesunden Seele kann ich mich für andere einsetzen. Mich ihnen zuwenden und so Neues, Gutes entstehen lassen.

Was werden Sie tun? Was tut Ihnen gut? Erkennen Sie für sich ein Geschenk, dass Gott Ihnen gegeben hat?
Selbstfürsorge darf und muss sein. Gerade in den dunklen Monaten. Wenn wir uns Zeit dafür nehmen, hilft es uns den Blick zu heben. Und die Sonne durch den Nebel brechen zu sehen. Uns wärmen zu lassen von dem Gefühl, Gott ist da. Er geht mit uns.

Lassen Sie sich noch einmal zusprechen:

Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
Sie gehen hin und weinen
und tragen edlen Samen
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben


Bleiben Sie gesund!

Ihre Diakonin Ulrike Stallmeister

Geistlicher Impuls Oktober 2020

Oh, wie schön ist es… (dankbar zu sein)

von Pfarrerin Nancy Bullard-Werner

Es gibt beinahe unzählige Geschichten von Menschen, die aus ihrer vertrauten Umgebung aufgebrochen sind, um das wahre Leben, das große Glück, das schönste Land oder die Liebe ihres Lebens zu suchen. Das Kinderbuch „O, wie schön ist Panama“ von Janosch ist davon vielleicht eine der moderneren. Es erzählt vom kleinen Tiger und dem kleinen Bär, die sich aufmachen um Panama, das Land ihrer Träume, zu suchen. Am Ende befinden sie sich wieder, ohne es zu merken, im eigenen Haus, und sind voller Glück und Dankbarkeit, überzeugt ihr Ziel erreicht zu haben.

Auf Deutsch wird gesagt, dass die Kirschen im Baum des Nachbars am süßesten sind. Auf Englisch ist es das Gras in Nachbars Garten, das immer grüner ist. Wahrscheinlich hat jede Kultur einen Spruch, um dieses Fernweh nach Glück zum Ausdruck zu bringen. Diese Sehnsucht scheint in nicht wenigen Menschen zu hausen.

Rainer Maria Rilke schreibt dazu, dass „die meisten Menschen gar nicht wissen, wie schön die Welt ist und wieviel Pracht in den kleinsten Dingen, in irgendeiner Blume, einem Stein, einer Baumrinde oder einem Birkenblatt sich offenbart… und doch wäre es das Schönste, wenn alle Menschen… sich an einem Birkenblatt oder an der Feder eines Pfaues oder an der Schwinge einer Nebelkrähe so innig freuen, wie an einem großen Gebirge oder an einem prächtigen Palast. Das Kleine ist ebenso wenig klein, als das Große groß ist. Es geht eine ewige Schönheit durch die ganze Welt, und diese ist gerecht über den kleinen und großen Dingen verstreut.“

Jesus hat dies etwas anders ausgedrückt. In der Bergpredigt sagte er: „Seht die Vögel unter dem Himmel an; Schaut die Lilien auf dem Feld an.“ Große und kleine Sorgen wusste er, wird es immer geben.  Herausforderungen und berechtigte Ängste werden, das wusste er auch, selbst mit dem festesten Glauben nicht unausweichlich sein.  Darum rät er zum Hinschauen; Wahrnehmen, was da ist, anstatt das, was fehlt oder was kommen könnte, in den Mittelpunkt zu stellen.  Versäume das kleine Glück nicht während du vergeblich auf das Große wartest, war seine Richtschnur.  Schaut hin und seid dankbar, denn Dankbarkeit stärkt die Resilienz, die Widerstandskraft. Denn Dankbarkeit ist eine der allerschönsten Formen des Glücks.

Dankbar die kleinen Dinge des Alltags zu sehen und wahrzunehmen ist mit Sicherheit einer der wichtigsten Schlüssel zum Glück. Der weniger grünen Rasen, die Kirsche vom eigenen Baum, die vertrauten vier Wände, das Birkenblatt, die Lilie auf dem Feld. Dankbar dem Lachen einer Bewohnerin zu lauschen oder das Lächeln eines Klienten wahrzunehmen. Diese sind die kleinen Dinge, die so manche Last eines schweren Tages oder einer großen Sorge zu lindern vermögen.

Zurzeit können wir dankbar sein, dass es ausreichende Schutzmasken und Desinfektionsmittel, Latexhandschuhe und Fieberthermometer, Schutzbrillen und Einwegkittel gibt. Kleinigkeiten, die uns bewusstmachen, dass, auch wenn nicht alles im Lande perfekt ist, keine von uns aufbrechen muss, um einen besseren, vielversprechenderen oder heilvolleren Ort zu suchen, als den, den wir hier haben.

O, wie schön ist es da zu sein, wo selbst Kleinigkeiten einen großen Unterschied machen. Wohl dem Menschen, der dieses erkennt.  Er/sie wird dankbar sein, und glücklich.

Geistlicher Impuls September 2020

Nur wer es versucht, kann es auch schaffen

von Dietmar Prexl, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Diakonie Stetten

„Ich kann das nicht“.

Wie oft höre ich diesen Satz. Von Freunden, von Kollegen, von Mitarbeitern und ja, auch von mir selbst. Und wie oft stellt sich dann heraus, dass aus dem „Ich kann das nicht“ mit Mut, Mühe und Durchhaltevermögen ein „Ich hab`s geschafft“ wird.

„Ich schaff das nicht“ ist so schnell gesagt. Und häufig stimmt es gar nicht, weil ich einfach behaupte etwas nicht zu können, ohne es überhaupt probiert zu haben.

Vielleicht, weil es einfacher ist. Weil ich genau sehe, dass die Aufgabe, vor der ich stehe nicht leicht ist. Dass es mich einiges an Kraft, Einsatz und Willensstärke kosten wird, das zu meistern. Da ist es doch viel leichter, einfach zu sagen: Ich kann das nicht, als es zu versuchen und dann vielleicht doch zu scheitern.

Aber wie so oft im Leben ist einfacher nicht immer auch besser.

Wie viele Dinge in meinem Leben habe ich nicht geschafft, weil ich schon vorher überzeugt war, dass es nicht klappen kann. Wie viele Erfahrungen habe ich mir entgehen lassen. Wie viele Meinungen nicht ausgesprochen und wie viele Gelegenheiten nicht genutzt. Nur, weil ich Angst davor hatte, zu scheitern.

Ich kann das nicht, ist auch eine sehr einfache Art, sich vor einer Herausforderung zu drücken. Sicher, wenn ich es versuche und es klappt nicht, dann werde ich enttäuscht sein. Aber vielleicht kann ich aus dieser Enttäuschung ja auch lernen. Und vielleicht klappt es ja doch.

Vielleicht nicht sofort, vielleicht nicht perfekt, aber geschafft ist geschafft.

Als Christ glaube ich aber, dass es zum Leben gehört, sich auf Neues einzustellen. Weil Neues und damit auch Veränderung zum Leben dazugehört.

Die Verheißung des christlichen Glaubens ist nicht, dass sich alles Neue oder jede Veränderung sich automatisch im meinem Sinne klärt. Die Verheißung ist, dass Gott mich mit allen meinen Mühen, allen meinen Antwortversuchen und meinem Durchhaltevermögen versteht und trägt.

Das gibt mir Kraft und Mut, mich den Herausforderungen zu stellen und mich nicht mit dem „ich kann das nicht“ zufrieden zu geben. Auch wenn das Ergebnis nicht perfekt ist, es vielleicht nur teilweise oder sogar gar nicht klappt. Aber ich habe es versucht, lerne daraus, kann sagen: „ich hab‘s geschafft“ mich der Herausforderung zu stellen!

Geistlicher Impuls Juli 2020

Predigt zum ausgefallenen Jahresfest der Diakonie Stetten, 05. Juli 2020

Der Festgottesdienst zum ausgefallenen Jahresfest konnte im Videoformat online mitgefeiert werden. Der Gottesdienst wurde gestaltet von Pfarrerin Nancy Bullard-Werner und weiteren Mitwirkenden aus der Diakonie Stetten. 

Die Fest-Predigt hielt der Vorstandsvorsitzende, Pfarrer Rainer Hinzen:

Liebe Gemeinde,
liebe Mitfeiernde zuhause,

immer wieder in den letzten Wochen habe ich einen Satz aus der Bibel zitiert, der Mut macht und uns zusagt, dass wir nicht allein und hilflos sind in dieser Zeit:

Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht,
sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
(Die Bibel, 2. Brief des Timotheus 1,7)

Wahrscheinlich war es Paulus, der seinem jungen Freund Timotheus diesen Satz gesagt hat. In einer Situation, die zum Fürchten war. Zumindest für Paulus selber sah es nicht gut aus. Er saß im Gefängnis und wusste nicht, was ihn da erwartet.

Ich kann mir vorstellen, dass dies den jungen Mann Timotheus stark beeindruckt hat.

Und so hat es über die Zeiten hinweg immer wieder Menschen beeindruckt.

Und zwar immer genau dann, wenn sie eigentlich Grund zur Angst gehabt hätten.

So wie wir im Moment.

Die ganze Welt hat Angst, Angst vor einer unsichtbaren Bedrohung durch ein Virus, das unberechenbar und heimtückisch ist.

Wie können wir leben mit dieser Bedrohung?

In welchem Geist, in welcher Haltung begegnen wir dieser Bedrohung, ja eigentlich jeder Bedrohung.

Gehören wir eher zu denen, die am liebsten weglaufen oder den Kopf in den Sand stecken? So als ob die Sache schon von selbst vorbeigeht. Als ob es am besten ist, man beachtet sie gar nicht.

Oder reagieren wir mit Angriffswut? Erfüllt von einem Geist der Wut und des Zorns. Der bewirkt dann Zerstörung und besinnungslose Gewalt. So wie in Stuttgart vor zwei Wochen. Da wurden Menschen und Sachen ohne Grund angegriffen, da schlug man um sich und machte kaputt, was einem in die Finger kam. Ein Geist der Zerstörung und der Aggressionen.

In der griechischen Mythologie gibt es eine Geschichte eines Vaters und seinem Sohn, die auch gefangen waren. Sie saßen auf einer Insel fest, aber sie waren nicht gelähmt vor Angst, sondern sie setzten eine Idee um. Sie sammelten Federn, klebten die mit Wachs zusammen und bauten sich einen Flugapparat. Dädalus der Vater und Ikarus der Sohn. Und eines Tages flogen sie los. Das lief gut, bis Ikarus, der junge Mann, vor lauter Begeisterung über seine Kraft immer höher aufstieg. Aber weiter oben schmolz das Wachs, weil die Sonne eben heißer brannte und so lösten sich die Federn, er stürzte ins Meer und ertrank. Der Vater aber, besonnen nutzte seine Kraft, um am rettenden Ufer anzukommen.

Ich meine, es geht uns mit dem Corona Virus auch so. Wir fühlen uns wie gefangen, wir sind in Gefahr und wir suchen nach Ideen, die uns aus dieser Situation herausbringen.

Da hilft kein Geist der Furcht, kein Geist der Wut und kein Geist der Gleichgültigkeit.

In der Diakonie Stetten war in den vergangenen Wochen ein anderer Geist spürbar, ein guter Geist. Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Wo alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammengehalten haben, um infizierte Bewohner*innen und Kolleg*innen zu pflegen und ihnen zu assistieren oder sie zu vertreten, wenn sie in Quarantäne waren.

Und ja, vor allem den Geist der Besonnenheit den brauchen wir  jetzt:

Ich denke an die vielen Bewohner, deren Besonnenheit gefragt ist, wenn sie nicht zur Arbeit können, nur mit Auflagen aus den Häusern können und Tag und Nacht mit ihren Wohngemeinschaften zusammen sein müssen.

Den Geist der Besonnenheit, den die Angehörigen und Betreuer zeigen, wenn sie für alle Einschränkungen Verständnis und Geduld zeigen.

Wir brauchen den Geist der Besonnenheit und Liebe, um auszuhalten, was doch nur schwer auszuhalten ist: Einschränkungen bei unseren Kontakten, unseren Unternehmungen und unserer Arbeit.

Wir sollten nicht unbesonnen sein wie Ikarus, der übermütig wird, weil die ersten Flugminuten gelungen sind. So sollten wir nicht nachlässig und unvorsichtig werden, nur weil im Moment niemand bei uns positiv getestet wurde.

Wir brauchen den Geist der Besonnenheit und Liebe, dass wir nicht nachlässig werden beim Tragen unserer Masken, beim Hände waschen und Abstand halten. Das fällt uns schwer, denn wir wollen uns doch freundlich begegnen und anlächeln, wir wollen uns die Hand geben oder umarmen zur Begrüßung und wir wollen miteinander feiern und Gemeinschaft erleben.

Aber Ikarus ist ein eindrücklich schlechtes Beispiel. Daran sollten wir uns nicht orientieren.

Für mich ist der Teil des Satzes besonders wichtig, der davon spricht, von wem denn diese Kraft und Liebe und Besonnenheit kommt. Ich halte es nicht für einen Zufall, dass gerade in der Diakonie Stetten so viel Zusammenhalt, Durchhaltevermögen, Gemeinsinn und besonnenes Verhalten gezeigt wurde. Gott ist es -das glauben und davon leben in der Diakonie Stetten viele Menschen- Gott ist es, der uns diesen Geist gibt.

Darum, so denke ich, können wir nicht nur dankbar sein für diesen Geist, sondern wir können auch tatsächlich zuversichtlich sein, dass wir mit dieser schwierigen Situation auch weiterhin zurechtkommen.

Denn wir müssen uns nicht selbst Mut zureden, müssen nicht Kraft aus uns selbst schöpfen, müssen nicht auf uns und unsere Möglichkeiten allein bauen.

Geist der Kraft und Liebe und Besonnenheit – von Gott gegeben.

Darauf können wir uns verlassen.

Amen

Geistlicher Impuls Ostern 2020

Warum werden eigentlich Eier zu Ostern gegessen?

Warum werden eigentlich Eier zu Ostern gegessen?
Was haben sie mit diesem Fest zu tun?

An Karfreitag wird Jesus zu Grabe getragen. Ein Stein, ein richtig schwerer Brocken liegt vor seinem Grab. Von außen betrachtet sieht sein Grab aus wie ein Ei. Eine harte Schale aus Fels und Stein umgibt ihn. Diese Schale schützt vor Eindringlingen, bewahrt vor Diebstahl.

Ein Ei – das erinnert mich an viele Menschen und an so manchen Lebensabschnitt bei mir selbst. Denn: Wie viele Menschen haben sich auch so eine Schale zugelegt? Diese Schale liegt ganz eng um unseren Körper. Sie schmiegt sich ganz fest um unser Herz. Wir haben sie uns selbst angelegt. Wir haben gemeint: Wir brauchen diese Schale zum Schutz. Und ist dies verwunderlich? Gerade jetzt? Wir sind besonders gefordert in dieser Zeit. Ein Schutzpanzer könnte doch besonders jetzt helfen? Wir dürfen nicht unserer gewohnten Arbeit nachgehen, keine Freunde besuchen, niemanden umarmen. Wir arbeiten unter erschwerten Bedingungen, müssen die Kinder Zuhause betreuen und unseren Ausgleich durch ein leckeres Abendessen beim Italiener um die Ecke fällt auch weg.

Die Gefahr einer solchen Schale ist jedoch, dass auch Lachen und Freude nicht mehr zu mir durchdringen. Ich erkenne vielleicht die helfende Hand und das freundliche Lächeln nicht.

So hat sich Gott unser Leben nicht gedacht. Wir wurden nicht als Küken, sondern als Menschen geschaffen. Und auch die Geschichte Jesu endet nicht mit dem Grab.

Ein Ei kann man aufbrechen, indem man an die Schale klopft. Feine Risse zeichnen sich ab, dann bricht sie auf. Ein Ei erscheint vermeintlich tot, bis die Schale springt und ein Küken schlüpft.

Die Lebensmacht Gottes beruft Jesus zu neuem Leben. Das feiern wir an Ostern. Das Grab ist leer. Die Schale springt.

Die Zusage an Ostern ist: Ich lebe und ihr sollt auch leben!

Ostern spricht uns zu: Legt eure Schale ab, werdet frei!
Traut euch eure Gefühle zu. Ich bin da.

Ostern spricht uns nicht die Schwierigkeiten des Lebens ab, aber das Leben zu. Wir sollen ein Leben in Fülle haben. Und was wäre das Leben ohne das Lächeln meines Nachbarn, das mein Herz berührt!

Trauen wir uns also zu, unsere Schutzschale abzulegen und neues Leben zuzulassen. Denn:

Jesus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!

Frohe Ostern!

Ihre Diakonin

Ulrike Stallmeister

Zuversicht

Geistlicher Impuls zur Fastenaktion "7 Wochen ohne"

Liebe Leser*innen,

die sieben Wochen zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag werden von den Kirchen traditionell als Fastenzeit begangen. Die Fastenaktion der evangelischen Kirche heißt „7 Wochen ohne“ und steht dieses Jahr unter dem Motto „Zuversicht“.

Ich schreibe diesen Impuls wenige Tage nach den brutalen Morden in Hanau. Und ich frage mich, ob da nicht die Zuversicht ihre Grenzen hat. Müssen wir uns nicht vielmehr Sorgen machen? Ist es nicht so, dass die menschenverachtenden und mörderischen Gedanken, die den Mörder von Hanau erfüllten, von viel zu vielen Menschen geteilt werden? Warum kann dieses rassistisch-mörderische Ideengemisch so ungehindert anwachsen?

Eine Antwort auf diese Frage könnte sein, dass wir mit Zuversicht Teil einer Bewegung für das Gute sein könnten. Wir dürfen in unseren Familien, Freundes- und Bekanntenkreisen nicht gleichgültig sein, wenn wir bemerken, dass sich jemand abkapselt, zurückzieht und möglicherweise radikalisiert. Wir müssen das Gespräch suchen und dem Hass und der Aggression die Qualität der Güte, des Respekts und der Kooperation entgegenhalten.

Ich muss zugeben: Ich tue mich schwer damit, mit ideologisierten und verbohrten Menschen zu diskutieren. Das beginnt schon damit, dass ich den Eindruck habe, dass sie ja gar nicht wirklich reden wollen und dass sie meinen Argumenten nicht zugänglich sind.

Aber Rückzug, Angst und Sorge können doch nicht unsere Reaktionen bestimmen.

Meine Zuversicht ist, dass die Kräfte, die den Zusammenhalt und die Gemeinschaft fördern, sich doch durchsetzen werden. Die Kirchen, die Vereine, Sport und Kultur, politische Parteien und ehrenamtliche Initiativen, bürgerschaftliches Engagement und Nachbarschaften können gute Gelegenheiten für Zusammenwirken sein, wenn sie dazu genutzt werden.

Zuversicht heißt für mich nicht, illusionäre Hoffnungen zu hegen, sondern einen klaren Blick für den Ernst der Lage zu behalten; zugleich heißt Zuversicht aber auch, mich nicht lähmen zu lassen, sondern die Spielräume zu nutzen, die sich auftun – und seien sie noch so klein.

Mir persönlich ist die Zuversicht näher als der Optimismus. Denn Optimismus, so verstehe ich ihn, lebt aus der fröhlichen Unbekümmertheit nach dem Motto: „es wird schon gutgehen.“ Zuversicht hingegen bedeutet, in die Zukunft zu sehen und angesichts der realistischen Sicht auf die Dinge hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen. Zuversicht gibt es nicht ohne Gründe. Zuversicht speist sich aus einem festen Vertrauen.

Dieses Vertrauen kann verschiedene Grundlagen haben. Für manche Menschen ist es der Glaube an die Vernunft und die Kraft der vernünftigen Argumente, die sich letztendlich durchsetzen. Für manche ist es die Kraft der Liebe. Manche vertrauen auf ihre positiven inneren Kräfte.

Für mich als Christ ist der Grund meines Vertrauens der Glaube an Jesus Christus und die Kraft, die ich nicht aus mir selbst heraus produzieren kann.

Der Apostel Paulus hat einmal davon gesprochen, dass Glaube, Hoffnung und Liebe bleiben. So verstehe ich die Zuversicht: Sie ist eine Hoffnung, die sich aus dem Glauben speist und in der Liebe das Ziel und den Sinn allen Handelns sieht.

Darum bleibe ich zuversichtlich – im Blick auf die Entwicklungen in der Politik, im Blick auf die Zukunft der Diakonie Stetten, im Blick auf die Chancen zu Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderungen, wie auch im Blick auf die würdevolle Pflege und Begleitung alter und sterbender Menschen.

Die Fastenaktion, die auf die „Zuversicht“ als Haltung aufmerksam macht, könnte doch ein guter Anlass dafür sein, dass Sie auch darüber nachdenken, wo Zuversicht den Blick auf Ihre Situation und Zukunft bestimmen könnte. Dazu jedenfalls sind wir alle eingeladen.

Mit freundlichen Grüßen

Pfarrer  Rainer Hinzen

„Ich glaube; Hilf meinem Unglauben!“

Geistlicher Impuls zur Jahreslosung 2020

Sowie über jedem Tag, jeder Woche und über jedem Monat ein biblischer Spruch steht, so steht auch einer über jedem Jahr.  Für 2020 stammt der Spruch aus dem Markusevangelium und lautet „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“  Dieser Spruch ist Teil eines Gesprächs zwischen Jesus und einem weiteren Mann.  Es ist kein tiefgehend theologisches Gespräch und kein profunder philosophischer Diskurs.  Der Mann mit dem Jesus spricht ist ein verzweifelter Vater eines Sohnes, der von stark ausgeprägten epileptischen Anfällen heimgesucht wird.  Es ist ein verzweifelter Vater, der lang und vergeblich nach Hilfe gesucht hat und nun am Ende seiner Kraft angelangt ist.

Wie der Sohn körperlich leidet, so leidet der Vater seelisch an dieser beinahe hoffnungslosen Situation.  Einen kühlen Kopf kann der Vater längst nicht mehr bewahren; seine Gedanken sind hitzig und aufgewühlt.  Nachdem Jesus den großen Satz „alle Dinge sind möglich dem, der an Gott glaubt“ zu dem Mann spricht, schreit dieser aus seinem tiefsten Inneren, „Ich glaube; Hilf meinem Unglauben!“

Das Schreien des Vaters darf uns durch Mark und Bein fahren.  Es ist das Geschrei von jedem, der ein schwer krankes Kind hat.  Es ist das Geschrei von jedem, der die eigene Hilflosigkeit im Angesicht von großen Ungerechtigkeiten, unerklärlichen Ungereimtheiten oder schlimmen Ereignissen spürt.  In diesem Satz ist die Verzweiflung zu spüren, die aufkommt wenn ein Mensch erkennt, dass er nicht das machen kann, was er machen will oder was er machen muss.  Dies ist die Verzweiflung eines Menschen, der nicht das vollbringen kann, was er für richtig, notwendig oder gerecht hält.

Wie viele Eltern, wie viele Ärzten*innen, wie viele Erzieher*innen und Lehrer*innen, ja, wie viele Mitarbeiter*innen der Diakonie Stetten kennen diesen Schmerz?  Der Schmerz, der kommt, wenn du erkennst, dass du einem anderen Menschen einfach nicht helfen kannst.  Der Schmerz, der kommt, wenn du eine Situation, einen Umstand, eine Realität schlicht nicht ändern kannst.  Dies ist der Schmerz der Ohnmacht.  Und aus dieser Ohnmacht heraus schreit der Vater „Ich glaube; Hilf meinem Unglauben!“

Jesus hörte diesen Schrei.  Er nahm die Ohnmacht und die Verzweiflung des Vaters wahr.  Und davon bewegt, heilte Jesus den epileptischen Sohn.

Ob die Heilung von Dauer war verrät die Bibel nicht.  Dauerhaft bleibt die Einsicht, dass es manchmal Situationen im Leben gibt in denen wir Menschen schlicht und einfach ohnmächtig sind.  Dauerhaft bleibt die Einsicht, dass es manchmal Zustände in der Welt gibt, die selbst den tiefgläubigsten Menschen zum Kleinglaube treiben. Dies zu erkennen ist der erste Schritt in einem Heilungsprozess.  Dies zu erkennen öffnet andere Türen, beleuchtet weitere Möglichkeiten, führt aus seelischen Sackgassen heraus und schenkt kreative, kämpferische Kraft.

Dazu will die Jahreslosung 2020 uns leiten.

Im Angesicht von allem Frust und allem Ärger; im Angesicht allen Nicht-Könnens, Nicht-Dürfens und Nicht-Wissens; und im Angesicht von allen Zweifeln und aller Verzweiflung, wird es in diesem neuen Jahr sich lohnen immer wieder den Satz der Jahreslosung zu sprechen, zu schreien oder zu beten:

„Ich glaube; Hilf meinem Unglauben!“

Pfarrerin Nancy Bullard-Werner