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„Ideologie vom unwerten Leben“ - Ausstellung zur NS-Euthanasie in Waiblingen eröffnet

Waiblingen, 01. Februar 2024 – Im Rahmen des Programms zum Jubiläumsjahr 2024 hat die Diakonie Stetten in der Ludwig Schlaich Akademie eine Ausstellung eröffnet, die die Euthanasieverbrechen der Nationalsozialisten an Menschen mit Behinderung dokumentiert. Die Ausstellung kann noch bis Ende Februar besichtigt werden.

Insgesamt 395 Menschen mit Behinderung wurden im Jahr 1940 bei acht Transporten mit den sogenannten „Grauen Bussen“ aus der damaligen Anstalt Stetten nach Grafeneck auf der Schwäbischen Alb deportiert. Nach ihrer Ankunft in der dortigen Tötungsanstalt wurden sie noch am gleichen Tag ermordet. Insgesamt fielen in Grafeneck 10.654 Menschen mit Behinderung und psychischer Erkrankung der Nazi-Ideologie vom minderwertigen und lebensunwerten Leben zum Opfer. „In fast jeder Gemeinde im Südwesten gibt es Euthanasie-Opfer“, berichtete Kathrin Bauer, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gedenkstätte Grafeneck bei der Ausstellungseröffnung. Die später als „T4-Aktion“ bezeichneten Verbrechen bildeten den Auftakt für die weitere Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten bis ins Jahr 1945. „Die Mitarbeiter von Grafeneck mordeten ab 1941 in den großen Vernichtungslagern im Osten weiter. Einige Täter machten steile Karrieren, etwa als Lagerarzt in Auschwitz“, so Kathrin Bauer weiter. Die Tötungsanstalt Grafeneck wurde indes bereits im Dezember 1940 übereilig geschlossen – nicht etwa wegen aufkommender Unruhe in der umliegenden Bevölkerung, wie es gerüchteweise hieß, sondern weil das Einzugsgebiet der Tötungsanstalt im Jargon der Täter „erschöpft“ war.

„Diese Ereignisse gehören zur Geschichte der Diakonie Stetten. Sie lassen sich nicht ungeschehen machen. Was geschehen ist, darf nicht verdrängt oder vergessen werden, damit sich die Missachtung der Würde behinderter und psychisch kranker Menschen niemals wiederholt. Die Diakonie Stetten hat sich immer wieder mit dieser Geschichte auseinandergesetzt, die eben auch eine Geschichte von Schuld und Scham ist.“ bekannte Dietmar Prexl, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Diakonie Stetten in seinem Grußwort und ergänzte: „Das höchste Gut, die Würde des Menschen, ist in vielen Bereichen gefährdet. Deshalb bleiben wir stets herausgefordert, gegen ihre Missachtung einzutreten und unsere Stimme zu erheben. Ganz im Sinne unseres Leitbildes: „Für eine Welt in der niemand mehr ausgegrenzt wird.“

„Die damaligen Vorstellungen von „unwertem Leben“ und von fehlender „Nützlichkeit für die Volksgemeinschaft“ sind leider auch in der heutigen Zeit wieder zu hören.“ stellte auch Kathrin Bauer in ihrem Vortrag fest und schloss mit den Worten: „Das Wissen um die damaligen Verbrechen mahnt uns, für eine offene Gesellschaft, für Inklusion und Menschenrechte einzutreten. Dazu kann diese Ausstellung einen Beitrag leisten.“

Die von der Gedenkstätte Grafeneck konzipierte Ausstellung „Grafeneck 1940 - Die Euthanasie-Verbrechen in Südwestdeutschland“ dokumentiert eindrucksvoll die historischen Ereignisse und Hintergründe der nationalsozialistischen Verbrechen an Menschen mit Behinderung unter dem Deckmantel der „Euthanasie“, aber auch Einzelschicksale, wie etwa das von Theodor Kynast, für den seine diagnostizierte Schizophrenie das Todesurteil bedeutete. Er wurde im Alter von 36 Jahren in Grafeneck ermordet.

Mit der 1990 eröffneten Gedenkstätte Grafeneck verbindet die Diakonie Stetten eine langjährige Zusammenarbeit, unter anderem in Form von regelmäßigen Besuchen von Gruppen aus der Diakonie Stetten, aber auch in Form von gemeinsamen Workshops. Sie ist heute ein Ort der Erinnerung, der Begegnung, der Forschung und der Bildungsarbeit für unterschiedliche Zielgruppen. Weitere Infos unter www.gedenkstaette-grafeneck.de

Info:

Die Ausstellung im Eingangsbereich der Ludwig Schlaich Akademie kann noch bis Ende Februar montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr besichtigt werden. An einer Führung interessierte Gruppen oder Einzelpersonen können sich an Jelena Fazio, die Koordinatorin für das Jubiläumsjahr wenden: per mail unter jelena.fazio@diakonie-stetten.de oder telefonisch unter 07151 940-2229. Die Ludwig Schlaich Akademie befindet sich in unmittelbarer Nähe des Waiblinger Bahnhofs in der Devizesstraße 9.

Ein Überblick über die 175-jährige Geschichte ist auf der Internetseite https://www.diakonie-stetten.de/die-diakonie-stetten/ueber-uns/geschichte.html zu finden. Alle Infos zum Jubiläumsjahr und das komplette Veranstaltungsprogramm sind auf der Internetseite www.diakonie-stetten.de/175 zu finden.

Impressionen von der Ausstellungseröffnung:

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