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Verständlich Einsicht in Geschichte bekommen

Die Remstal Werkstätten der Diakonie Stetten bieten im Rahmen ihrer Fortbildungen regelmäßig Veranstaltungen über die Euthanasie-Verbrechen zur Zeit des Zweiten Weltkrieges für Menschen mit Behinderungen an. Zwei ehemalige Studentinnen der PH Ludwigsburg haben gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen Unterrichtsmaterial über die Zeit des Nationalsozialismus in einfacher Sprache erstellt.

„Wir haben bei unserer Recherche festgestellt, dass es in ganz Deutschland nahezu kein Unterrichtsmaterial in einfacher Sprache für Menschen mit Behinderungen über die Euthanasie-Verbrechen und die Zeit des Nationalsozialismus gibt. Das fanden wir sehr erschreckend“, erzählt Christina Scheider, die zusammen mit ihrer Studienkommilitonin Simone Oesterle und Menschen mit Behinderungen aus der Diakonie Stetten in einem Projekt Unterrichtsmaterial erstellt hat. Aus der Zeitung erfuhren sie, dass es in den Remstal Werkstätten inzwischen regelmäßige Fortbildungsangebote für Menschen mit Behinderungen über die Zeit des Nationalsozialismus gibt. „Da kam uns die Idee, unsere Hausarbeit darüber zu schreiben. Aus der Hausarbeit wurde dann in Absprache mit unserem Professor ein ganzes Projekt und letztendlich unsere Abschlussarbeit“, erzählt Simone Oesterle, die wie ihre Kommilitonin Christina Scheider, Sonderpädagogik studierte und inzwischen ihr Referendariat in der Theodor-Dierlamm-Schule der Diakonie Stetten absolviert.

Gemeinsam überlegten sie, wie das Unterrichtsmaterial in einfacher Sprache aussehen könnte und recherchierten, was es dazu bereits gibt. „Wir haben bei unserer bundesweiten Recherche nur ein einziges Buch dazu gefunden“, sagt Simone Oesterle. Um mehr zu erfahren, welche Themen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges für Menschen mit Behinderungen interessant sein könnten, nahmen die beiden Frauen an den Fortbildungen über die Euthanasie-Verbrechen in der Diakonie Stetten teil, fuhren gemeinsam mit den Teilnehmenden in die Gedenkstätte nach Grafeneck und befragten die Fortbildungsteilnehmenden. Dabei erzählten drei Schülerinnen und Schüler der Berufsschulstufe der Theodor-Dierlamm-Schule sowie zwei Mitarbeitende der Remstal Werkstätten, was sie über die Zeit wissen wollten und was ihnen helfen würde, um verständlich Einsicht in die Geschichte zu bekommen.  „Uns war wichtig, die Perspektive der Schüler und der Erwachsenen aufzugreifen. Bei den Schülern fiel uns sehr schnell auf, dass sie sich benachteiligt fühlen, weil die Zeit des Nationalsozialismus bei sonderpädagogischen Schulen nicht im Bildungsplan verankert ist“, erzählt Christina Scheider. Die Zusammenarbeit mit den Menschen mit Behinderungen fanden die beiden Frauen sehr bereichernd: „Das Interesse von den Teilnehmern am Thema war sehr groß und deren Ehrlichkeit war berührend. So war z. B. eine Aussage, dass sie selbst zu dieser Zeit wohl auch ermordet worden wären“.

Entstanden sind rund elf kurze Videos in einfacher Sprache, in denen Menschen mit Behinderungen erklären, was z. B. die Aktion T4 bedeutete, wer Adolf Hitler und die Nazis waren, was in Grafeneck passierte oder wie Menschen mit Behinderungen in der Zeit des Nationalsozialismus behandelt wurden. „Die Texte haben wir gemeinsam mit den Teilnehmenden geschrieben und dann mit Fotos, Symbolen und einfachen Grafiken unterlegt“, erklärt Christina Scheider. Zusätzlich liegen die Informationen in einfacher Sprache in Papierform vor.

Christa Rommel, Referentin für Bildung und Qualifizierung in den Remstal Werkstätten, führt regelmäßig die Fortbildungen zur Geschichte des Nationalsozialismus für Menschen mit Behinderungen durch und freut sich über das neue Unterrichtsmaterial: „Ich fand das klasse, wie die beiden Studentinnen auf uns zugekommen sind und wie sich aus einer ersten Idee ein richtiges Projekt entwickelt hat, von dem wir nun auch weiterhin profitieren können“. Zudem wären die Teilnehmenden begeistert gewesen, dass sie bei der Entstehung des Unterrichtsmaterials mitwirken konnten. Daneben haben sich durch das Projekt weitere Entwicklungen ergeben: So stellten die Teilnehmenden mit Behinderungen das Unterrichtsmaterial vor Beginn der Coronakrise Auszubildenden zur Heilerziehungspflege in der Ludwig Schlaich Akademie vor und machen, sobald dies wieder möglich ist, Führungen über die Zeit des Nationalsozialismus am Stein des Gedenkens auf dem Gelände der Diakonie Stetten.
 

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Christina Scheider erstellt gemeinsam mit einem Mitarbeiter der Remstal Werkstätten das Unterrichtsmaterial zum Nationalsozialismus in einfacher Sprache.
Christina Scheider erstellt gemeinsam mit einem Mitarbeiter der Remstal Werkstätten das Unterrichtsmaterial zum Nationalsozialismus in einfacher Sprache.