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„In der Pflege ist es schon fünf nach zwölf“- Gaby Schröder in SWR 1 Leute zum Thema Pflegenotstand

Stuttgart, 16. Januar 2024 – In der Radio-Talksendung „SWR 1 Leute“ hat Geschäftsführerin Gaby Schröder über die Herausforderungen in der Pflege gesprochen. Im Interview mit SWR-Moderator Jens Wolters erläuterte sie, was sich im „kranken System“ Pflege dringend ändern muss, aber auch was den Pflegeberuf attraktiv macht.

„Es muss uns gelingen, dass wir die Altenhilfe so organisiert bekommen, dass auch ich und andere später im Alter gut versorgt sind.“ erklärte sie gleich zu Beginn, was für sie den Reiz ausmacht, sich persönlich in diesem Bereich zu engagieren. Als Geschäftsführerin eines Altenhilfeträgers mit über 20 Standorten und rund 1.000 Mitarbeitenden könne sie zudem im Sinne des Leitbildes der Diakonie Stetten „Für eine Welt in der niemand mehr ausgegrenzt wird“ Einfluss nehmen und auch jungen Menschen und Menschen mit Behinderung Chancen bieten, etwa durch einen Außenarbeitsplatz im hauswirtschaftlichen Bereich eines Pflegeheims.

Der massive Personalmangel führe jedoch dazu, dass in ihrer Einrichtung viele Pflegeplätze nicht belegt werden können und Zimmer leer stehen, „obwohl wir täglich Nachfragen haben“. „Wir könnten doppelt so viele Pflegeplätze belegen wie wir haben“. so Schröder. „Ich weiß, dass Angehörige teilweise der Verzweiflung nahe sind, weil sie keinen Pflegeplatz finden.“ Solche nicht belegbaren Plätze gebe es aufgrund der in Baden-Württemberg geltenden Mindest-personalschlüssel – und innerhalb des Alexander-Stifts vor allem an neuen Heimstandorten, an denen es Zeit brauche, bis ein Mitarbeiterteam aufgebaut sei und ausreichend Personal zur Verfügung stehe. Gerade im ländlichen Raum, in dem das Alexander-Stift stark vertreten ist sei die Personalsuche besonders schwierig. Für Gaby Schröder ist der Pflegenotstand heute schon Realität: „Die Situation spitzt sich zu, es ist eher fünf nach zwölf als fünf vor zwölf. 60 Prozent der Pflegekräfte sind über 50. Die sogenannten Babyboomer gehen jetzt alle nach und nach in Rente. Aber so viele kommen in den kommenden Generationen nicht nach.“

Von Wettbewerbsverzerrung bei der Personalgewinnung müsse man leider sprechen, wenn beispielsweise städtische Krankenhäuser ihren Pflegekräften Fahrtkostenersatz und andere Zulagen zahlen. „Das können wir als freigemeinnütziger Träger nicht, weil wir diese Zusatzkosten nicht von den Pflegekassen erstattet bekommen und nicht wie die Kommunen einfach auf Steuergelder zurückgreifen können.“ Allerdings zahle das Alexander-Stift mit dem Diakonie-Tarif ein gutes Gehalt, das deutschlandweit einen Spitzenplatz einnimmt. Berufseinsteiger würden bis zu 3.800 Euro brutto verdienen und könnten mit weiteren Zulagen, etwa für Schichtdienste rechnen. Bessere Löhne für die Pflegekräfte würden aber auch höhere Kosten für die Heimbewohner bedeuten. Der Eigenanteil habe sich in den letzten Jahren fast verdoppelt. Auch deshalb würde der Umzug ins Pflegeheim möglichst lange hinausgezögert: „Es freut sich niemand, in ein Pflegeheim einziehen zu können, das macht man nur, wenn es gar nicht mehr anders geht.“

Das System der Pflegeheimfinanzierung sei ein Stück weit ein krankes System. „Wir brauchen dringend größere Reformen“. Allerdings habe die Reform der Pflegeberufsausbildung mit der Voraussetzung „Mittlere Reife“ eine weitere Einstiegshürde geschaffen. Unnötig, so Schröder, denn auch Menschen mit niedrigerem Schulabschluss könnten sich mit entsprechender Unterstützung gut entwickeln.

Auf die Frage von Moderator Jens Wolters zu den Vorschlägen aus der Politik, die Hürden für ausländische Arbeitskräfte zu senken antwortete sie: „Ich bin für alles, was den Prozess der Anerkennung ausländischer Fachkräfte schneller macht. Wenn Menschen aus dem Ausland bereit sind, zu uns nach Deutschland zu kommen, dann brauchen wir sie schnell und wir haben jetzt den Pflegenotstand.“

Seine Frage, warum der Pflegeberuf trotz aller Herausforderungen auch ein schöner Beruf sein kann, nutzte sie als Steilvorlage: „Ich kann nur dafür werben, in die Pflege zu gehen, einmal, um Menschen ein schönes Altern zu ermöglichen, aber auch, um seine persönlichen Fähigkeiten gut einbringen zu können. Der Pflegeberuf ist ein sehr sinnstiftender Beruf, in dem man viel zurückbekommt. Im Gegensatz zu anderen Berufen bekommt man eine unmittelbare Reaktion auf seine Arbeit, zum Beispiel in Form eines dankbaren Lächelns. Man hilft Menschen mit viel Lebenserfahrung, in Würde zu altern. Man kann die unterschiedlichsten Fachkenntnisse einbringen. Die Professionalisierung in der Pflege ist mir sehr wichtig. Pflege ist ein anspruchsvoller Ausbildungsberuf mit vielfältigen beruflichen Möglichkeiten bis hin zum Studium der Pflegewissenschaft. Das ist auch notwendig, um eine gute Qualität und ein gutes Niveau zu sichern.

Mit ihrer optimistischen Grundhaltung („Für mich ist das Glas immer ganz voll“) blickt Schröder trotz aller Schwierigkeiten positiv in die Zukunft und formuliert dafür auch konkrete Vorschläge: „Wenn wir uns als Gesellschaft alle überlegen, was uns eine gute Pflege wert ist, dann können wir überlegen: wie gelingt uns das. Wenn es weniger Fachkräfte gibt, dann könnten sie sich zum Beispiel auf die so genannten Vorbehaltsaufgaben wie Wundversorgung oder Pflegeplanung konzentrieren und andere Mitarbeitende die anderen Aufgaben übernehmen. Früher sind durch den Zivildienst Menschen mit dem Pflegeberuf in Berührung gekommen, die sonst nicht in den sozialen Bereich gekommen wären. Mein Vorschlag wäre, ein weiteres Jahr als gesellschaftliches Pflichtjahr an die Schulzeit anzuhängen. Das ist für den Berufseinstieg kein verlorenes Jahr, sondern sie sammeln in dieser Zeit wertvolle Erfahrungen, die sie später im Berufsleben brauchen können“.

Anlass für einen positiven Blick in die Zukunft gibt laut Schröder auch das 175-jährige Jubiläum der Diakonie Stetten, zu der das Alexander-Stift gehört. „In den vergangenen 175 Jahren ist viel passiert. In Stetten, aber auch in der Gesellschaft insgesamt, wurde oft überlegt, wie es weitergehen soll, und es haben sich immer wieder Wege aufgetan. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es weitergehen wird und wir auch für die Probleme von heute Lösungen finden werden.“

Info:

Die ganze Sendung kann in voller Länge als Podcast auf der SWR 1-Seite unter https://www.swr.de/swr1/podcast-swr1-leute-100.html sowie in der ARD-Audiothek und auf weiteren Plattformen nachgehört werden. Ein ergänzender Online-Artikel zum Gespräch ist unter https://www.swr.de/swr1/swr1leute/gaby-schroeder-was-tun-gegen-fachkraeftemangel-pflege-deutschland-100.html nachzulesen.

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