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Gemischte Bilanz zum 13. Jahrestag der UN-Behindertenrechtskonvention - Pfarrer Rainer Hinzen weist auf Erfolge und Hindernisse bei der Weiterentwicklung der Hilfen für Menschen mit Behinderung hin

Kernen-Stetten, 24. März 2022 – Vor dreizehn Jahren, am 26. März 2009, ist die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland in Kraft getreten. Anlässlich dieses Datums zieht der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Stetten, Pfarrer Rainer Hinzen eine gemischte Bilanz der seitherigen Entwicklungen. Vor allem das schleppende Tempo bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes trübt aus seiner Sicht die Bilanz.

Für Menschen mit Behinderung hat sich laut Pfarrer Hinzen seit 2009 manches zum Positiven verändert. Inklusion ist in der Gesellschaft kein Fremdwort mehr und kommt an vielen Stellen voran, wie etwa beim Thema Barrierefreiheit, im Bereich der schulischen Bildung, in der Arbeitswelt und bei der Entwicklung von betreuten Wohnangeboten. So leben mittlerweile etwa zwei Drittel der rund 1500 Menschen mit Behinderung, die von der Diakonie Stetten im Bereich Wohnen unterstützt werden, nicht am Zentralstandort in Stetten, sondern in dezentralen Wohnangeboten – verteilt auf mehr als 20 Standorte in sechs Stadt- und Landkreisen der Region Stuttgart.

„Das klassische Wohnheim ist heutzutage nur noch eine Angebotsform unter vielen. Inzwischen haben wir eine breite Angebotspalette für unterschiedliche Unterstützungsbedarfe.“ erläutert Hinzen und ergänzt: „Wir entwickeln uns ständig weiter und schaffen neue Wohnangebote, die sich an den Wünschen und Bedarfen der Menschen mit Behinderung orientieren. Dazu gehören gemeindeorientierte Wohnhäuser mit max. 24 Wohnplätzen, kleine Wohngemeinschaften, die zum Teil auch für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf geeignet sind, und ambulante Unterstützung in der eigenen Wohnung für Einzelpersonen und Paare mit Behinderung. In wenigen Wochen werden wir in Stuttgart eine Wohngemeinschaft eröffnen, in der Menschen mit und ohne Behinderung ganz normal zusammenleben werden.“

Weitere 1200 Menschen mit Behinderung und deren Familien nutzen die unterschiedlichen Beratungs- und Assistenzdienste sowie die Freizeitangebote der Offenen Hilfen, die die Diakonie Stetten in der Region anbietet.

Diese positive Entwicklung im Bereich der Hilfen für Menschen mit Behinderung soll vor allem durch das bereits Ende 2016 verabschiedete Bundesteilhabegesetz (BTHG) weiter vorangetrieben werden. Der Fokus dieses Reformgesetzes liegt auf passgenauen Hilfen und einer konsequenten Orientierung am individuellen Unterstützungsbedarf der Menschen. Ein umfassender Systemwechsel, der ganz im Geiste der UN-Behindertenrechtskonvention die Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderung nachhaltig verbessern soll.

Umso mehr schmerzt es die Betroffenen, dass der Prozess der stufenweisen Umsetzung dieses Gesetzes in Baden-Württemberg nur schleppend vorankommt. Ursprünglich sollte der Umstellungsprozess auf Landesebene bereits Anfang 2020 abgeschlossen sein. Aber aufgrund der vielen noch offenen Fragen musste der eigens vereinbarte Übergangszeitraum zuletzt noch bis Ende 2023 verlängert werden. Stand März 2022 konnte die Diakonie Stetten mit den Stadt- und Landkreisen als zuständigen Kostenträgern noch keine einzige Vereinbarung über die zukünftige Erbringung der Leistungen zum Abschluss bringen.

Um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen, hat sich der Vorstand der Diakonie Stetten mit einem Brief an die Sozialausschussmitglieder und Landtagsabgeordneten aus der Region gewandt. Anlass dafür war eine Veranstaltung der Liga der freien Wohlfahrtspflege am 23. März, in der die Mitglieder des Landtags-Sozialausschusses über die Situation der Eingliederungshilfe in Baden-Württemberg informiert wurden. In dem Brief heißt es wörtlich:

„Viel schwerer wiegt jedoch, dass die betroffenen Menschen mit Behinderung und ihre Familien, die bereits seit Jahren auf die gesetzlich versprochenen Verbesserungen warten, massiv enttäuscht werden und die Hoffnung verlieren, dass das Bundesteilhabegesetz ihre Lebenssituation positiv verändert. Vor allem für die Betroffenen, aber auch für die Einrichtungsträger hat das Bundesteilhabegesetz seit seinem Inkrafttreten bislang nur einen enormen bürokratischen und organisatorischen Mehraufwand mit sich gebracht, aber noch keinerlei konkreten Nutzen. Mit diesem ernüchternden Fazit nach mittlerweile über 5-jähriger Einführungszeit können die Verantwortlichen für die Eingliederungshilfe in Baden-Württemberg nicht zufrieden sein, zumal nach unserer Kenntnis nicht unerhebliche Mittel von Seiten des Landes an die Stadt- und Landkreise geflossen sind, um sie bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes zu unterstützen.“

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