• Geschäftsbereich Berufliche Bildung

Bewerben 2020: Neue Wege gehen

BAZ Esslingen bringt Firmen und Azubis zusammen. Auch in der Corona-Krise suchen Betriebe Nachwuchs und Jugendliche eine Ausbildungsstelle – nur kommen sie schwieriger zusammen. Denn Covid-19 stellt die Bewerbungswelt auf den Kopf. Im Beruflichen Ausbildungszentrum (BAZ) Esslingen geht man deshalb spontan neue Wege – und ist vom abgesagten Ausbildungsplatz-Speed-Dating zum Online-Bewerbungsverfahren umgestiegen. Mit Erfolg!

Ebrima Darboe strahlt über’s ganze Gesicht. Der gebürtige Gambier hat viele Hürden geschafft. Nun ist er seinem Ziel, selbstständig für sich sorgen zu können, ein großes Stück nähergekommen: Am 1. September beginnt Ebrima Darboe in der Firma Kütter & Scharpf GmbH in Esslingen eine Ausbildung zum Maler. Er kann es kaum erwarten und möchte am liebsten sofort sein „Ziel ansteuern und dann Gas geben“, sagt er lachend.

Eigentlich hatte der junge Mann, der 2015 von Gambia nach Deutschland kam, diesen Beruf gar nicht auf dem Plan. „Er wünschte sich eine Berufsausbildung im Bereich Lager und Logistik“, erinnert sich Monika Brucklacher, Koordinatorin des Projekts „Integration durch Ausbildung – Perspektiven für Zugewanderte“. Sie ist bei der IHK Stuttgart, Bezirkskammer Esslingen Nürtingen, Ansprechperson zu Ausbildungsfragen für junge Menschen mit Migrationshintergrund. Als Ebrima Darboe zu dem Projekt stieß, war er als Lagerhelfer tätig und hatte bereits den Staplerschein in der Tasche. Im Rahmen des Projektes wurden Bewerbungsunterlagen geschrieben und Kontakte zu Firmen aufgenommen. Dann kam Corona – und einige Möglichkeiten für Praktika und Probearbeiten zerschlugen sich.

Kontakte knüpfen

Monika Brucklacher riet dem jungen Mann, der in seinem Heimatland zwölf Schuljahre absolviert hatte, Kontakt zum BAZ Esslingen aufzunehmen, um alle Möglichkeiten der Ausbildungsplatzsuche über das Ausbildungsplatz-Speed-Dating (ASD) zu nutzen. Beim Ausbildungsplatz-Speed-Dating im BAZ, das von der IHK Stuttgart, Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen, der Kreishandwerkerschaft Esslingen-Nürtingen und der Agentur für Arbeit Esslingen unterstützt wird, kommen Ausbildungsbetriebe und künftige Azubis in Kontakt. Ziel der Mitarbeiter*innen im Projekt Fokus Ausbildung ist es, möglichst für jeden Jugendlichen eine passende Ausbildungsstelle zu finden und für jeden Ausbildungsbetrieb den passenden Azubi.

Doch in diesem Jahr crashte Covid-19 den für Anfang April geplanten Termin. Kurzerhand ließen sich die BAZ-Mitarbeiter*innen etwas Neues einfallen, damit die Corona-Krise nicht zur Fachkräftekrise wird. Sie nutzten verstärkt Online-Kanäle. Konkret sah das so aus: Klein- und Kleinstunternehmen aus dem Landkreis Esslingen konnten offene Ausbildungsstellen online melden und entsprechende Anforderungsprofile erstellen. Parallel hatten Ausbildungsplatzsuchende die Möglichkeit, sich beim BAZ online für ein so genanntes Azubi-Speed-Coaching anzumelden. „In diesem Jahr haben wir rund 70 Bewerberinnen und Bewerber gezählt, darunter 20 mit Fluchterfahrung“, berichtet Daniel Spieler, Mitarbeiter im Projekt Fokus Ausbildung.

Das Profil passt zur Anforderung

Beim Coaching, das diesmal Online bzw. per Telefon stattfand, wurden die Bewerber*innen bestmöglich auf ein Vorstellungsgespräch vorbereitet und es gab Tipps zur Optimierung der Bewerbungsunterlagen. Waren Übereinstimmungen zwischen den Anforderungen der Betriebe und den Profilen der Bewerber*innen zu verzeichnen, wurden die Unterlagen direkt an die Firmen weitergeleitet.

Bei Ebrima Darboe gab es anfangs keinen Treffer, denn im Bereich Lager und Logistik war keine offene Lehrstelle gemeldet worden. Erst als der junge Gambier einem Freund beim Streichen der Wohnung half, entdeckte er sein Talent für einen ganz anderen Beruf. Gemeinsam mit Daniel Spieler wurden die Bewerbungsunterlagen überarbeitet und zusammen mit der Bewerber-Einschätzung vom BAZ an zwei Maler-Betriebe geschickt. Kurze Zeit später wurde Ebrima Darboe per Mail nicht nur der Eingang der Bewerbung bestätigt, sondern von der Firma Kütter & Scharpf GmbH in Esslingen auch gleich ein Vorstellungsgespräch angeboten. Während eines dreitägigen Praktikums konnte er zudem sein handwerkliches Geschick unter Beweis stellen. Schnell stellte man fest: Das passt!

Schnell und unkompliziert – das passt!

„Für uns als Betrieb war es eine erfolgreiche Sache, beim Speed-Dating mitzumachen. Die Vorauswahl im BAZ hat wunderbar funktioniert – schnell und unkompliziert. Und letztlich hat es ja auch gepasst, wie man an der Vergabe eines Ausbildungsplatzes an Herrn Darboe sieht“, freut sich Maler- und Lackiermeister Jochen Schach.

Grund zur Freude hat auch ein anderer junger Mann, der über das Projekt Fokus Ausbildung seinem Leben eine neue Richtung gibt. Hakim (Name von der Redaktion geändert) wird Anfang September bei der Firma ewo Fluid Power GmbH in Owen eine Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker aufnehmen. Ursprünglich wollte der 22-Jährige Augenoptiker werden, hatte aber nach sechs Monaten festgestellt, dass dieser Beruf doch nicht seinen Vorstellungen entsprach. Das war 2018.

Drei Jahre zuvor war er mit seinem älteren Bruder nach Deutschland gekommen. Der Rest der großen Familie ist in der Türkei zurückgeblieben. Dorthin war Hakims Familie vor dem Krieg in Syrien geflohen. Die Jahre in Deutschland nutzte der junge Mann, um die Sprache zu lernen und in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Mittlerweile bescheinigt ihm das Deutsch-Zertifikat B2 ein fortgeschrittenes Sprachniveau. Im Jugendbüro Esslingen erhielt Hakim zudem Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen, bei der Wohnungs- und bei der Ausbildungsplatzsuche. „30 Bewerbungen habe ich geschrieben, aber nichts hat geklappt“, blickt der gebürtige Syrer zurück. Dann entstand der Kontakt zum BAZ.

Zusammenarbeit im Netzwerk

„Durch unsere gute Vernetzung im Landkreis sind wir in der Lage, junge Menschen und Unternehmen bedarfsgerecht zu unterstützen“, beschreibt Crina Maria Petersen dieses BAZ-Dienstleistungsangebot. Die Projektmitarbeiterin von Fokus Ausbildung hatte die Bewerbungsunterlagen von Hakim gesichtet, nachdem er sich über das Online-Portal angemeldet hatte. Sie hakte nach und wollte wissen, ob an Hakims Wunsch, Industriemechaniker werden zu wollen, noch zu rütteln sei. Eigentlich würde sein Profil genau auf die Anforderungen der ewo Fluid Power GmbH passen. Allerdings suchte der Betrieb einen Azubi für den Bereich Konstruktionsmechanik.

Hakims Interesse war geweckt. Gemeinsam mit Crina Maria Petersen optimierte er sein Bewerbungsanschreiben, das an die Firma weitergeleitet wurde. Dann kam der ersehnte Anruf. Ob er am nächsten oder übernächsten Tag zum Vorstellungsgespräch kommen könnte. „Ich nahm den ersten Termin, der zu haben war“, erinnert sich Hakim. Das Gespräch hinterließ auf beiden Seiten ein gutes Gefühl und so fand sich der 22-Jährige zwei Wochen später bei der Firma in Owen zum Praktikum ein. Vier Tage, die ihn in seiner Entscheidung bestätigten. Der Geruch einer frischen Schweißnaht in der Nase, die Elektrode in der Hand, strukturiertes Arbeiten – das soll künftig seinen Ausbildungsalltag bestimmen.

Unterstützungsangebot bleibt bestehen

Mittlerweile ist der Vertrag bei der ewo Fluid Power GmbH unterschrieben – und auch den Führerschein hat Hakim seit drei Wochen in der Tasche, damit er zu seinem Ausbildungsbetrieb pendeln kann. Es scheint, als könne er sein Glück kaum fassen. „Ich bin froh, dass ich von diesem Projekt erfahren habe“, sagt er, und dankt Crina Maria Petersen „für den individuellen und persönlichen Kontakt“.

Der Kontakt wird übrigens weiterbestehen. Denn die Projektmitarbeiter*innen stehen den Betrieben auch weiterhin zur Seite, wenn es um ausbildungsrelevante Themen geht.

Das Projekt Fokus Ausbildung – stark für die Zukunft wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und dient der nachhaltigen Fachkräftesicherung im Landkreis Esslingen. Weitere Informationen gibt es telefonisch unter 0711 931854-457 sowie online unter https://baz-esslingen.diakonie-stetten.de/zusammenarbeit-mit-unternehmen/azubi-gesucht.html

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