5. Ethikforum am 3. Dezember 2014

"Arbeit - Behinderung – Karriere"

Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung fand am
3. Dezember das fünfte Ethikforum der Diakonie Stetten in der Glockenkelter in Stetten statt. Der Journalist, Schauspieler und Regisseur Dr. Peter Radtke aus München, der mit der Glasknochenkrankheit geboren wurde, referierte über das Thema Arbeit, Behinderung und Karriere und bot beeindruckende Einblicke in seine persönliche Lebensgeschichte.  

Mehr als 200 Zuhörerinnen und Zuhörer – überwiegend Mitarbeitende der Diakonie Stetten – folgten gespannt den Worten Peter Radtkes, der gleich zu Beginn seines Vortrages deutlich den Wert von Arbeit herausstellte: „Arbeit bedeutet mehr als Tätigkeit, sie bedeutet Anerkennung durch die Gesellschaft. Ich habe das große Glück gehabt, immer Arbeitsstellen zu haben, die mir große Freude bereitet haben“, erklärte der 71-Jährige, der seine Promotion im Fach Romanistik und Germanistik im Jahr 1976 an der Universität Regensburg abgeschlossen hatte.

Peter Radtke kennt jedoch auch die andere Seite und er weiß, wie es sich anfühlt, keine Arbeit zu haben: Nach seinem Abitur auf dem zweiten Bildungsweg, das er mit der Note 1,2 abgeschlossen hatte und nach seiner Promotion, die er ebenfalls sehr gut abschloss, war er zunächst für zwei Jahre arbeitslos. Dann folgte „ein Glücksmoment, der gleichzeitig furchtbar traurig war“, denn auf die Stellenausschreibung der Volkshochschule München für einen Romanisten, bot man ihm den Aufbau und die Leitung des Fachgebietes Behindertenarbeit an. „Für das eine war ich scheinbar nicht geeignet, weil ich behindert bin, für das andere war ich aber wohl geeignet, obwohl ich darin keinerlei Ausbildung hatte, nur weil ich behindert bin“, so Peter Radtke, der seit 2003 Mitglied des Nationalen Ethikrates und Autor mehrerer Theaterstücke, Bücher und Fachbeiträgen zu ethischen Themen ist. Hintergrund des Vortrags in Stetten war sein autobiographisches Buch „Karriere mit 99 Brüchen“.

Seine Karriere hat Peter Radtke nach seiner Aussage in erster Linie der Liebe und Unterstützung seiner Mutter sowie gerade auch seiner Behinderung zu verdanken. Denn nicht nur bei seiner anschließenden Tätigkeit als Geschäftsführer und Chefredakteur bei der Arbeitsgemeinschaft Behinderung und Medien, sondern auch während seiner Zeit beim Theater spielte das Thema Behinderung eine Rolle. „Ich kenne kein Modell, das Inklusion so verwirklicht und erfahrbar macht, wie das Theater, denn da spiele ich meine Rolle wie alle anderen die ihre und genau darin sind sich alle völlig gleichgestellt und gleichwertig“, sagte Peter Radtke. Am Beispiel der Theaterarbeit, verdeutlichte er, wie wichtig und schwer zugleich es ist, Hilfe annehmen zu können und gleichzeitig appellierte er, dass Hilfe zu geben, endlich auch als selbstverständlich gelten muss.

Integration auf den ersten Arbeitsmarkt

Die anschließende Podiumsdiskussion mit Rüdiger Bechstein, Personalleiter bei Kärcher, Heiderose Maaß, Mitglied des Vorstands der Diakonie Stetten und Peter Radtke, griff die Fragen aus der Zuhörerschaft sowie die Diskussion zum Thema Arbeit und Inklusion auf. Das Ziel der Inklusion lenkt hierbei den Blick auf Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Die Firma Kärcher bekam 2013 das Gütesiegel Arbeit-Plus der Evangelischen Landeskirche Württemberg für sozial nachhaltige Entscheidungen verliehen. „Wir von der Firma Kärcher bemühen uns, gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen Perspektiven zu suchen“, sagte Rüdiger Bechstein. Trotzdem komme ein Industrieunternehmen bei der Integration von Menschen mit Behinderung auch an seine Grenzen. In Zeiten osteuropäischer und chinesischer Konkurrenz für Industrieunternehmen sei es schon nicht einfach, überhaupt Arbeitsplätze in der Region zu halten.

„Die Firma Kärcher ist ein gutes Vorbild. Solche Firmen sollte es in noch größerer Zahl geben“, betonte Heiderose Maaß. Gleichzeitig machte sie deutlich, dass neben allem Bemühen, Menschen mit Behinderungen die Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, doch auch die schwachen, schwerst-mehrfach behinderten Menschen in den Blick genommen werden sollten, für die noch keine befriedigenden Lösungen gefunden werden konnten.